Heute morgen war mal wieder Yoga – 90 Minuten bei der wunderbaren Ina in Gauting, nach 7 Wochen Nichtstun waren wir alle ganz schön eingerostet. Seit vielen Jahren bin ich sehr begeistert vom Yoga bei Ina – unesoterisch, mit guter Stimmung und viel Wissen. Jetzt fühle ich mich deutlich aufrechter, beweglicher und gestreckter. Gut so! Auch wenn ich – wieder mal, wie geradezu immer – keinen Kopf- und keinen Schulterstand gemacht habe.
Warum nicht? Ein Kind würde jetzt sicher antworten „Na, darum nicht!“. Gefällt mir ziemlich gut, diese Antwort.
Meine „erwachsene“ Variante lautet: Weil ich nicht mag.
Peng! Na sowas. Also wirklich, wo doch jeder weiß, wie wertvoll Kopf- und Schulterstand im Yoga sind: Umkehrhaltungen generell steigern die Sauerstoff-Zufuhr, stimulieren die Schilddrüse und kommen der Atmung zugute. Und überhaupt:
Was man im Yoga nicht mag, das kann man auch nicht richtig, weil man nicht übt und gerade deshalb sind diese Übungen für die Betreffende so wichtig. Echt, jetzt!
Ina hat das ungefähr ein Jahr lang immer wieder betont, beteuert und wiederholt. Sie würde auch Hilfestellung geben und überhaupt.
Nein. Nein! Ich mag einfach nicht. Punkt. Ohne tiefenpsychologische Gründe, ohne Trauma oder Angst – ich MAG.EINFACH.NICHT.
Inzwischen ist Inas Standardsatz dann immer: Alle machen Kopf-/Schulterstand – die, die nicht mögen, machen das, was Bettina macht. Na bitte – geht doch!
Ganz was anderes:
Ich hab mir vor einem Monat ein Tablet zugelegt. Großartig, das Teil! Ich nutze und genieße es sehr – es fährt superschnell hoch, ist handlich und lädt zum Surfen auf der Couch ein, passt in die Handtasche für die Präsentation beim Kunden. Ach echt jetzt? Werden Sie jetzt vielleicht schmunzeln. Ist ja gaaaanz was Neues, Tablets gibt’s doch schon ewig.
Stimmt. Und doch hab ich erst jetzt eines. Weil ich nämlich nicht jeden Techniktrend sofort mitmache. Ach, wissen Sie – eigentlich bin ich ja noch viel schlimmer. Achtung – jetzt folgt das große Outing! Viele waren deshalb schon wirklich betroffen und fassungslos, viele fragen mich, wie man überhaupt so existieren könne und noch dazu erfolgreich im Businessleben bestehen kann! Sind Sie bereit? Halten Sie sich fest:
Isch ‘aaber gar kein Smartphone! Sondern nur ein Nokia Handy.
Na? Vom Stuhl gefallen? Schnappatmung oder Lachflash bekommen? Tjahaa, ich trau mich was, oder?
Mein Handy reicht mir. Ich mag nur telefonieren und smsen. That’s it. Ich vermisse nichts, ich komme vorwärts und bin oft genug online, um meinen Kunden schnelle Antwort zu geben.
Ich frage in fremden Städten nach dem Weg, ruf mein Taxi mit dem Telefon und schau in der S-Bahn aus dem Fenster oder ins Buch – ich brauch kein Smartphone.
Drittes Beispiel:
Gerade hab ich in einer Frauenzeitschrift (wieder einmal) gelesen, dass sich die Frau ab 50 doch besser die Haare tönen oder färben solle, weil
grau, weiß und silbern im Haar macht unnötig älter und steckt Sie vielleicht in eine ganz falsche Schublade.
Hmm, in welche Schublade? In die der 50+ Frauen? Ja Gott, da pass ich doch perfekt rein mit meinen 51 Jahren.
Ich liebe meine silbernen Strähnen im Blond, ich werde sogar darauf angesprochen, wie raffiniert ich mir die wohl habe reinfärben lassen und meine Haare sind viel gesünder und lebendiger, seit ich nicht mehr färbe. Und sie machen mich auch nicht „unnötig älter“, weil ich mit Make-up und Farbe in der Kleidung schon dagegenzusteuern weiß.
Vieles mach ich mit, weil ich es klasse finde. Ich liebe Twitter, trage gerne Kleider im Bohemien Style, mag Pulled Pork, lese den Business Punk und finde das Trendgetränk Ingwer-Shot lecker.
Ich bin also modern.
Und ich liebe solch seltene Werte wie Demut oder Achtsamkeit, mag mein Festnetz Telefon, schreibe schrecklich gerne noch mit der Hand, bin mit meinem Musikgeschmack weitestgehend in den 70ern und 80ern hängengeblieben, esse immer noch gerne wie als Kind Vanilleeis mit heißer Schokoladensauce, finde Justin Bieber doof und viele Blockbuster von heute langweilig.
Ich bin also altmodisch.
Ich bin halt Bettina. 51 Jahre. Mensch mit Vorlieben und Abneigungen. Frau, die Sachen genial findet und andere dämlich. Isso.
Und wenn mir mal wieder jemand sagt, ich müsse doch endlich mit der Zeit gehen und mir so ein gottverdammtes Smartphone anschaffen, dann sag ich:
***UPDATE 21.Juli 2017 Gerade lese ich von einer Blogparade zu genau diesem Thema, von Elke Schwan-Köhr. Und da ist es ja wohl klar, dass ich da mit diesem Artikel unbedingt mitmachen möchte. Danke für den erneuten Impuls, liebe Elke!
Wie klasse, liebe Bettina – danke für diesen herzerfrischenden Blogpost!!
Genau so sehe ich das nämlich auch − und zwar genau seit dem Überschreiten der 50er-Linie. Denn damals(™) wurde mir klar: Ich muss nicht mehr − ich kann. Und ich darf. Ein wunderbares Gefühl!
Vor etwa drei Jahren meinte eine „Social Bekannte“ doch tatsächlich, mir den Tipp geben zu müssen, dass ich nun (also damals im Angesicht des 50ten) nun mal die Haare kürzen und bitte auch färben müsse. So ginge das ja nun gar nicht mehr. Selten habe ich jemanden so entgeistert angeblickt. Ich liebe es nämlich, in meinen unfärbbaren Rothaaren endlich mal ein paar hellere Töne zu haben und genieße dieses Farbenspiel, ganz wie Du. Und lang trage ich die Haare sowieso erst jetzt! Wer meint, mich aufgrund meiner Haarfarbe oder -länge, meiner Mobile Devices oder irgendwelchen modischen Firlefanzes an Shirt, Rock oder Hose unsympathisch oder gar inkompetent finden zu müssen, darf ohnehin gerne weiterziehen.
Sehr sehr lustig finde ich, dass genau diese Karte mit diesem Spruch letzte Woche Eingang in das Buch gefunden hat, an dem ich gerade schreibe – wie köstlich! Und dann freue ich mich auch jedes Mal, die Karte am Spiegel meiner 76jährigen Mutter zu erblicken, der ich sie mal geschenkt hatte. :)
Ich wünsch Dir fröhliches Nicht-Müssen und grüße herzlich nach Gauting!
Catharina
Hab gerade sehr gelacht … liebe Bettina, denn auch ich benutze so einen uralten Nokia Knochen, der Smartphone-Händlern die Nostalgie-Tränen in die Augen treibt. Warum? Das Ding telefoniert so wunderbar. Und sonst sitze ich sowieso die meiste Zeit am Schreibtisch. Es gibt Gründe, das alte Ding jetzt wirklich mal zu ersetzen. Ich werd’s dennoch vermissen. Liebe Grüsse!
Hihi … Du könntest Dir ja ein NEUES Handy kaufen … statt Smartphone!
Liebe Grüße von Bettina :-)
Genau so.
Allerbest, liebe Bettina. Ich fühle mich zurückversetzt in den Gautinger Biergarten.
Vermutlich muß man aber erstmal unser Alter erreicht haben, um die Dinge deutlich gelassener zu sehen. Obwohl, dem Technik- oder Markenfetischismus bin ich nie wirklich aufgesessen.
Und tatsächlich bemerke ich, daß immer mehr Menschen in meinem Umfeld nicht mehr die allerneuesten Karren fahren, sondern tiefenentspannt am liebgewonnenen und abbezahlten Gefährt hängen bleiben.
Vielleicht auch einfach die Erkenntnis nicht mehr für Banken und Leasing zu schuften.
Gruß vom Elbstrand!
Olli
Hallo,
habe mit großem Vergnügen diesen Beitrag gelesen.
Ich mag auch nicht immer alles beim Yoga.
Auch ich möchte nur mit dem Handy im Notfall telefonieren.
Sonst meine Ruhe haben.
Habe also auch noch so ein Handy.
Allerdings – – – meine Grauzonen sind verdeckt.
Aber ich kann ja was ändern – ich muss es aber nicht!
Bin sehr entspannt dabei.
Ein entspannendes Wochenende
Regina aus dem Münchner Norden
LIebe Bettina,
was für ein wundervoll offener und erfrischender Artikel, vielen Dank, dass du damit an meiner Blogparade teilnimmst!
Ich muss jetzt mal eine kleine Geschichte erzählen, weil ich finde, sie passt gut dazu: Als ich vor zwei Wochen nach einem missglückten Friseurbesuch heulend in meinem stillen Kämmerlein saß, kam irgendwann der Gedanke auf: Warum fühle ich mich mit dem neuen Haarschnitt denn so schrecklich? Und dann ging mir ein Licht auf: Weil ich für so ne punkige Frisur doch eigentlich viel zu alt bin. Echt jetzt? Ach was, das ist doch kompletter Blödsinn. Okay, so richtig Gefallen gefunden hab ich an den neuen Haaren (bzw. den nicht mehr vorhandenen) zwar nicht, aber es geht mir deutlich besser, seit ich mich von dem Druck des „da bist du doch zu alt dafür“ gelöst habe. Heute seh ich’s so: Ich hab jetzt die Frisur, die ich vor 20 Jahren schon gerne gehabt, mich aber nicht getraut habe. Wie wunderbar ist das denn? :-) Dein Artikel bestärkt mich in dieser Denkweise, vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Elke
Liebe Leute, das hier ist ein sehr erfrischender Stream über dürfen können und nicht wollen müssen. Mehr davon – und Die Gen Y, die Millenials und wie sie alle heißen haben glattweg noch was, worauf sie sich langfristig freuen dürfen! Well done & beste Grüße aus dem Büro an der Sonne! :-)