Später am Abend des 13.April 2016 kam eine Frau auf mich zu, nahm mich spontan in die Arme und sagte mit Tränen in den Augen:
„Sie glauben gar nicht, wie sehr es mich erleichtert, von Ihnen zu hören, dass Ängste sein dürfen! Danke!“
Bei solch einem Feedback wird mir besonders warm ums Herz. Denn, um ehrlich zu sein: Mit diesem Thema bin ich schon ziemlich missionarisch unterwegs.
So auch an diesem Abend in Wien – ca. 100 Menschen, Geschäftsführer, Führungskräfte und Personalerkamen auf Einladung des BFI zum ExpertenClub mit mir als Referentin. „Karrierekiller Angst?“ war mein Thema.
Seit ich mein Buch „Angstfrei arbeiten. Selbstbewusst und souverän im Job.“ geschrieben habe, ist mir dieses Thema enorm wichtig. Vermutlich jedoch aus anderen Gründen, wie Sie jetzt glauben werden. Es geht mir nämlich nicht in erster Linie darum, Menschen möglichst schnell von allen Ängsten und Zweifeln zu befreien. Klar lebt es sich besser ohne Ängste. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir unsere Ängste so behandeln sollen, wie es ein Kollege von mir in einem Vortrag einmal vorschlug:
Behandle Deine Ängste so, als ob sie lästige, unsinnige, überflüssige und nervtötende Phobien sind.
Find ich gruselig, ganz ehrlich.
Weil Ängste Emotionen sind, die wir ernst nehmen und in gewisse Weise sogar wertschätzen sollten, so paradox es klingen mag! Klar erleben wir lieber Glück, Freude, Liebe und Leichtigkeit. Aber deshalb Ängste und Zweifel zu ungewünschten Gefühlen zweiter Klasse abstempeln und weglaufen, wegschauen und verleugnen? Nein! Das haben sie nicht verdient, die Ängste.
Ich mag viel lieber den Indianerspruch:
Der Weg ist dort, wo die Angst ist.
Halten wir die Angst aus!
Hören wir hin, was sie uns zu sagen hat. „Da bist Du also. Wozu bist Du hier? Wovor willst Du mich beschützen, wovor möchtest Du mich warnen – was kannst Du tun für mich?“ Nehmen wir sie ernst.
Wenn wir nämlich wie die Kinder die Ohren zuhalten, die Augen zukneifen und laut pfeifend singen „Ich hab gar keine Angst, sie ist gar nicht da, lalala!“, dann muss sie lauter werden. Muss mehr stören, sich bemerkbarer machen. Bis wir endlich hinhören. Und dann kommt sie zur Ruhe, teilt sich uns mit. Und dann werden auch wir ruhiger und es dürfen Mut und Vertrauen kommen.
Und noch etwas. Bitte:
Reden Sie drüber!
Vertrauen Sie sich an, reden Sie über Ihre Ängste und Zweifel mit Menschen, denen Sie vertrauen und die Ihnen wohlgesonnen sind.Dann erleben Sie nämlich, dass Sie nicht alleine sind. Dass auch andere Menschen Ängste haben. Und zusammen trägt es sich leichter. Ehrlich! Ich hab das auf Veranstaltungen so oft erlebt: Wie erleichtert und vertrauensvoll sich Menschen öffnen, wenn sie sich über Ängste austauschen können – wenn Ängste sein dürfen!
Ich finde es fürchterlich – eine Strömung, die auch leider viele meiner Trainer- und Speakerkollegen vorantreiben, dass Angst ein derart großes Tabuthema ist! Der erfolgreiche Mensch hat gefälligst keine Ängste und keine (Selbst-)Zweifel zu haben. „Ois easy!“ sagt der Bayer, passt schon, alles cool bei mir.
Schrecklich find ich das! Weil es menschenverachtend ist – so weichgespült, glatt gebügelt und zuckerwattenrosarot ist das Leben nämlich nicht! Zum Leben gehören Glück, Erfüllung, Begeisterung, Leichtigkeit und Gelassenheit – und Angst, Trauer, Wut und Verzweiflung.
Reden Sie drüber! Halten Sie Ihre Angst aus, schauen Sie sie an und hören ihr zu, was sie Ihnen zu sagen hat. Bitte! Machen Sie die Welt ein wenig menschlicher dadurch. Danke!
(…Ich sagte schon, dass ich bei diesem Thema echt leidenschaftlich und missionarisch unterwegs bin, oder?! ;-)…)
Kommt an den Rand der Tiefe, sagte er.
Wir haben Angst, sagten sie.
Kommt an den Rand, sagte er.
Sie kamen an den Rand. Er schubste sie …
und sie flogen!
(Guillaume Apollinaire)
Liebe Frau Stackelberg,
vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Es ist schön zu lesen, das man „Schwächen“ auch zulassen soll und darf und Angst nichts schlimmes ist, was man ausblenden muss…..Die Angst bejahend annehmen, dann macht sie gleich keine Angst mehr :)
Danke und viele Grüße
Nicole